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Vom atlantischen Feuer und anderen Rauchverboten

von Ernestine Gohr

Der ACD-Jahrescon vom 24. - 26. August 2007 in Springe


Wiesbaden, Diltheystraße 7 / 27. August, Montag und Waschtag.

Eine Jeans hat Grasflecken, die andere fettigen Ruß am linken Bein. Mutmaßlich hat die Person, die in diesen Klamotten steckte, sich in grüner Wildnis getummelt und einem Feuerchen angenährt.

Die Insider nicken wissend mit dem Kopf. Alles deutet auf den Besuch eines ACD-Con hin. Diese Treffen finden immer abseits großer Städte und auf Tuchfühlung mit der Natur statt. Eigentlich unpassend für die arkonidische Lebensart, die eher dem Luxus zugeneigt ist. Doch es gibt ja nicht nur Prinzen, Erhabene und Adel im Sternenhaufen M13. Die Masse der Arkoniden sind Essoya, Bürgerliche, fernab der Paläste im ganz normalen Kampf ums tägliche Auskommen stehend. Die wüssten so einen ACD-Con sicher zu schätzen. Und da solls ja noch Arkoniden geben, die, befragt nach den zweitschönsten Stunden ihres sehr langen Lebens, jene Zeitspannen nennen, die sie feiernd, trinkend und schmausend unter Barbarenvölkern verbrachten. Diese seltenen Exemplare arkonidischen Adels erkennt man übrigens an der Reaktion auf die Frage nach ihren schönsten Stunden, der sie mit genießerischem Lächeln begegnen.

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Ein paar Wochen vor dem großen Jahresereignis gehen in Südhessen Mails hin und her. Wer fährt, wer will mitgenommen werden? Aus der geplanten Vierer-Fahrgemeinschaft verbleiben zwei, die am Freitagvormittag die Reise gen Springe tatsächlich antreten wollen. Treffpunkt: Der Eingang zum Revier der Bahnpolizei im Wiesbadener Bahnhof.

Ich beobachte Stefan, wie er sich vom Bahnsteig aus suchend in Richtung Hauptausgang bewegt. Er sieht mich nicht. Ich folge ihm ein paar Schritte dichtauf und spreche ihn leise von hinten an.

"Falls Du die Polizei suchst, die steht hinter dir."

Er braucht einen Moment, ehe er Stimme, Gesicht, Gestalt und Haarfarbe mit dem geistigen Bild seiner Chauffeurin in Übereinstimmung bringt.

"Ich habe Dich blond in Erinnerung."

Erstaunlich, wie man mit ein bisschen Farbe die Identität wechseln kann.

Wir nehmen den Ausgang rechts zum Parkplatz und schaffen es Stefans Tasche noch irgendwie zu verstauen. Der Wagen ist bereits voll mit Fundsachen aus dem Keller. Fast alles der Versteigerung am nächsten Abend zugedacht.

Raus aus Wiesbaden, fah'rn, fah'rn, fah'rn auf der Autobahn [an dieser Textstelle bitte Akustik dazudenken: harmonische Synthiklänge].

Letztes Wochenende zählte Hessen etwas über einhundert Baustellen, hieß es in den Nachrichten. Wir passieren einen nicht geringen Teil davon. Null Problemo, denn wir sind zeitlich so gestartet, dass wir dem Pendlerverkehr entgehen und ausreichend Zeit für eine entspannte Landpartie hätten; sofern Stefan nichts dagegen hat alsbald auf die parallel verlaufende Bundesstraße 3 zu wechseln. Wäre trotz der etwas längeren Strecke die interessantere Anfahrtsvariante zum Con. Darauf angesprochen legt Stefan vehementes Veto ein. Na gut, dann eben noch ein bisschen weiter Rennstrecke, bis ...

... kurz vor einer Abfahrt alles steht, offenbar auf viele Kilometer. Im Radio war nichts angesagt worden, kein Stau, kein Unfall, keine behindernden Bauarbeiten auf diesem Teilstück. Wir tun es anderen Fahrzeugen gleich und verlassen die A7. Mein Copilot zieht Straßenatlas und die Map&Guide-Ausdrucke zu Rate, lotst uns zielsicher über Städte, Städtchen, Orte, Dörfer, bewohnte Flecken und sehr viel Gegend. Anfangs nur stop & go, dann deutlich zügiger.

In Sichtweite einer imposanten Burg steuern wir einen Supermarkt an. Zum einen um uns mit ausreichend Grillgut für die kommenden Tage einzudecken, zu anderen dürstet uns nach erfrischenden Flüssigkeiten. Hat außerdem den Vorteil, dass wir nach langem Stillsitzen im Auto den Hintern ein wenig auslüften können.

Keine Zeitnot, niemand drängelt. Bei mir stellt sich so was Urlaubsfeeling ein. Auch Stefan ist sichtlich entspannt. Beste Voraussetzungen für ein ACD-Wochenende.

Das letzte Teilstück bis zum Con-Ort führt uns noch näher an die Burg heran, dann um den Hügel herum, auf dem sie steht. Die nächsten sechs Kilometer geht's im 40er-Tempo, an das sich allerdings nur wir Ausländer halten. Autos mit einheimischen Kennzeichen überholen uns. Egal, bin ja nicht auf der Flucht. Dann, letzte Anweisungen meines Co-Piloten, und um 17:00 Uhr stehen wir vor dem Naturfreundehaus. Eine punktgenaue Landung. Halleluja!

Die Anwesenden herzlich begrüßen ist mir inniges Bedürfnis, dem ich gerne nachgebe. Die letzten zwei Jahre hat man sich nicht gesehen und ein paar Unbekannte sind nach der Begrüßung nicht mehr unbekannt. Ganz gemütlich die Sachen für die Versteigerung ausladen, dann das Naturfreundehaus inspizieren und eine Schlafstatt beziehen. Die sechs Betten im Zimmer füllen bereits den ganzen Raum. Zwei mal zwei als Hochbetten neben- und übereinander, zwei weitere unter der Dachschräge. Ein Tisch und zwei Stühle belegen die verbliebenen anderthalb Quadratmeter Boden. Um diese optimale Raumausnutzung zu würdigen muss man wahrlich ein Naturfreund sein und beim Beziehen des Bettzeugs einigermaßen gelenkig. Ich wähle das untere Metallgestell direkt am Fenster. Frische Luft kann überlebenswichtig sein.

In Erwartung von Wald und Natur hatte ich absichtlich den hässlichen braun-gepunkteten Bettbezug von zu Hause mitgenommen. Zwar beißt der sich stilistisch mit dem rosenbedruckten Kopfkissen, doch ist er aufgrund der Musterung vielleicht geeignet blutgierige Stechmücken derart zu irritieren, dass sie von Attacken auf meinen Luxuskörper absehen. Diese Strategie klappt bei Zebras in Afrika mit ihren verwirrenden Streifenmustern. Vielleicht auch im niedersächsischen Springe?

Nach Abschluss aller logistischen Vorbereitungen geht's wieder nach unten, wo es sich die Herrlichkeit des Clubs vor dem überdachten Hauseingang auf Gartenstühlen gemütlich gemacht hat. Gero und JöDi schleppen noch ein paar Kisten durchs Haus, dann Geplauder, Diskussionen, markige Sprüche und pubertäre Aufschneiderei. ACDler live. Immer wieder unterhaltsam.

Anno ruft an. Er kommt doch! Das sind eindeutig good news.

Nach und nach treffen weitere Con-Teilnehmer ein, okkupieren ein Schlafrevier und gesellen sich zu uns. Familie Schaper kommt zu dritt. Malte fremdelt kein bisschen. Damit qualifiziert er sich für den Erstkontakt mit Aliens. Er weiß es nur noch nicht.

Endlich trifft auch Kurt ein. Nun kann's losgehen mit Sortieren und Heften. Vorausgesetzt die per Post versendeten Kopien aus Gießen sind eingegangen ... ?

Fragende Blicke Richtung Gero. Der telefoniert mit der Familie, die, um den Paketdienst nicht zu verpassen, die letzten Tage einen 24-Stunden-Schichtdienst eingerichtet hatte. Gero schüttelt den Kopf. Nein, kein Paket. Ratlose Gesichter.

Kurt lächelt verschmitzt und rückt mit der Info raus, dass der Giessener Copyshop das Paket aus alter Gewohnheit an die Bremer Adresse geschickt hat, ungeachtet des schriftlichen Auftrags in den Kopiervorlagen aus Wiesbaden. Das Päckchen hat er dabei, deponiert die beidseitig bedruckten Blätter höchst fachmännisch in korrekter Reihenfolge auf einem langen Biertisch, so dass die Intrasklaven einer hinter dem anderen die Blätter von den Stapeln nehmen und als ein zu heftendes Intra an KDL geben können. Eigentlich ganz einfach. Was die Sache erschwert ist der Richtungswechsel um 180 Grad am Kopf des Biertischs und das damit verbundene Umgreifen und seitenkorrespondierende Stapeln.

Der ersten intellektuellen Herausforderung des Cons stellen sich zahlreiche ACDler, so dass die wundersame Intra-Genesis unter den aufmerksamen Augen des Kassenkurts in deutlich weniger als den biblischen sieben Tagen vonstatten geht. Nur das Heften klappt nicht wie es soll. KDL muss mehrere fertige Produkte wieder entklammern und neu zusammentackern. Kurt duldet kein krummes Metall an den Intras. Nur perfekte Ergebnisse finden seine Gnade. Huldvoll prüft und nickt er jedes einzelne Heft ab.

Doch damit nicht genug, sind alle anwesenden ACDler aufgerufen ihren Namen auf Seite drei jeden Heftes zu verewigen, vorzugsweise unter Nutzung der von KDL gestifteten, ebenso hübschen wie zweckmäßigen Kugelschreiber mit ACD-Schriftzug. Ausgenommen ein Spezialheft und Unikat, das ausschließlich und mehrfach mit "Atlan" unterschrieben wird, gewidmet dem Faktotum des Helden in seinem Kreuznacher Exil.

Einige ACDler wollen sich vor dieser Pflicht drücken, schützen Krämpfe, Schüttelfrost, Malaria, Pest- und Ungezieferbefall vor, bis sie sich letztendlich in ihr Schicksal ergeben und brav Unterschriften leisten Vielleicht träumte vorher so mancher vom Autorenruhm und stellt nun fest, dass das Dasein als berühmter Schreiberling anstrengende Seiten haben kann.

Kurt sammelt zufrieden seine Intras ein, übergibt zu Rüdigers treuen Händen abgezählt so viele Hefte, wie ACDler vor Ort sind, und überlässt uns unserem Schicksal, hier, im Wald von Springe. Kurt has left the buidling. Schade!

Nach 17 Stunden wach, zwei Flaschen Bier und Klaus-Dieters fast strafrechtlich relevanten Schmähungen chinesischer Kultur, Lebensart, Sozial- und Wirtschaftsverhalten sind meine Bio-Akkus leer. Das Bett mit der genialen Anti-Mücken-Versuchsanordnung wird eingeweiht.

Irgendwann, das Mitternachtsarmdrücken muss entweder schon gelaufen sein oder gerade anstehen, höre ich Geburtstagshymnen und erinnere mich, dass Pezi am Con-Samstag Geburtstag hat. Und noch etwas später dringen mehrere hellbegeisterte "Akka"-Rufe durchs offene Fenster. Erst viele Stunden später kriege ich mit, dass nicht ein anonymer "Akka", sondern Atlan besungen wurde.

Außerdem kriege ich eine Zimmergenossin. Christine Eder ist dem Stau entkommen.

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Samstag früh, damit meine ich wirklich früh - zumindest für Con-Verhältnisse -, bin ich die erste, die auf ist, angemessene Körperpflege betreibt, die Dusche im Keller ganz vorschriftsmäßig mit dem dafür vorgesehenen Gerät trocken abzieht und schon mal Kaffee kocht. Der schönste Kaffeebecher aus dem funktionellen Profiküchen-Edelstahl-Wandschrank wird andächtig mit halb Milch und halb heißer Koffeinbrühe befüllt und als wohlschmeckende Melange den niedersächsischen Waldgeistern draußen dargeboten. Während die ACDler noch in Morpheus' Reich weilen, versuche ich das Blätterrauschen und geheimnisvolle Knacken des Holzes um mich herum zu deuten. Sind die hier residierenden uralten Mächte uns gewogen? Die Antwort mein Freund, weiß ganz allein der Wind, die Antwort weiß ganz allein der Wind [an dieser Textstelle bitte wieder Akustik dazudenken: trotzige Mundharmonika-Sequenzen].

Zwecks Beschaffung von Alufolie fürs Bananen- und Fischprojekt begleite ich Gero beim motorisierten Brötchenholentrip. Da ich meine Brille nicht mitgenommen habe, drehe ich im Laden drei planlose Runden um die Regale. Orientierung nach Nase kann ich vergessen. Duft von Alufolie ist zu unspezifisch. Die spontane Idee per Tastsinn an Folie zu kommen verwerfe ich. Dauert zu lange. Draußen wartet Gero sicher schon. Erst die Ansprache kundigen Personals verschafft mir das Erhoffte.

Zurück am Naturfreundehaus kommen die mehr oder minder wachen ACDler, schnuppern Kaffeeduft und begutachten die Qualität der Brötchen. Einige lassen sich gar zu fachmännischen Kommentaren hinreißen. Nicht dass das Einfluss auf den Verzehr hätte. Nur so halt. Con-Youngster Malte mampft munter und liefert den Anwesenden nebenbei eine unterhaltsame Morgenshow.

Angesichts fortschreitender Zeit und dem näher rückenden Programmpunkt ACD-Fußballturnier rutschen einige ACDler unruhig auf ihren Frühstücksraumstühlchen hin und her. Geht's los? Ja, jetzt geht's los. Sammeln vorm Haus, Abmarsch zum Platz. Die Siechen, Kranken und Angekränkelten bevorzugen den sitzenden Transport.

Auf dem Weg gehen wir an einer kleinen Schafherde vorbei, die uns mit typischem bäh-Gemecker auslacht. Was? Diese Figuren wollen Fußballspielen? Bähähääää!

Kann man Schaf grillen?

Noch bevor wir am grünen Rasen ankommen, schließe ich einen Vertrag mit dem Schicksal: sollten die Mannschaften zahlenmäßig nicht aufgehen und weitere Spieler gebraucht werden, werde ich mitmachen. Dieses Abkommen wird durch die Einflüsterung nicht näher identifizierbarer Stimmen aus dem geistigen Off gestützt, dass sich heute garantiert niemand verletzen wird. Eine Falschaussage, wie sich alsbald zeigen sollte. Die Empirik bisheriger Clubturniere hätte mir eine Warnung sein sollen.

Die Lauferei über den Platz macht wider Erwarten keine Probleme. Der Puls ist schnell auf der notwendigen Frequenz und um mich herum gibt's genug Luft für die aerobe Verbrennung. Da sich unser Team weder richtig verteilt noch herausragende Sportskanonen aufzuweisen hat, liegen wir allerdings schnell mit mehreren Toren hinten. Antje bittet um Ablösung im Tor. Wird gemacht. Die taktische Besprechung in der Halbzeitpause hilft nur insofern, als wir die letzten zehn Minuten etwas weniger Tore kassieren. Immerhin. Und kurz vor Schluss recke ich mich nach dem Ball, auf dass er mein Tor nicht ein weiteres Mal befleckt. Flocky macht irgendwas, was genau kriege ich nicht mit. Auch nicht, dass er sich beim Sturz das Schlüsselbein bricht.

Auch auf dem Rückweg wird spekuliert was Flocky passiert sein könnte. Den medizinischen Befund erfahren wir erst nach seiner Rückkehr vom Krankenhaus. Ich nehme mir vor nie wieder im ACD Fußball zu spielen. Besser noch: Vermeidung aller Wettkämpfe mit Körpereinsatz.

In der Konsequenz fällt darunter auch das sich anschließende Chaosspiel, welches per zu absolvierendem Laufpensum der Spieler zwecks Auffinden von in der Anlage des Naturfreundehauses verteilten Ziffern, bzw. den Begriffen auf der Rückseite der Ziffernkärtchen, die Beantwortung von Quizfragen unter Stress simulieren soll. [Das war ein zu schwerer, verschachtelter Satz? Dann erlaube ich ihn noch mal zu lesen.]

Nette Idee, das mit Laufen und Denken, doch nicht Chaos genug um gestandene ACDler aus der Fassung zu bringen. Alle Fragen werden bravourös gemeistert.

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Hab' ich schon was zum Grillen geschrieben, zur atlantischen Flamme, die die ACDler immer wieder zu entzücken weiß? Mittags und abends gibt's lecker Fresschen, zubereitet auf die rustikale Art, nämlich auf dem Holzkohlegrill.

Nach dem Mittagsschlaf, den ich mir am Wochenende zu gerne gönne, dringt aus dem geöffneten Fenster im oberen Stockwerk die akustische Kulisse des beliebten ACD-Quiz, unter Leitung des Mannes, dem die Götter bei seiner Geburt eine ganze Reihe von Gabe in die Wiege gelegt haben, u.a. die des Quizmasters.

So ein ACD-Quiz-Hörspiel ist faszinierend. Schenkt man den auralen Eindrücken Glauben, geht da oben die Welt unter und wird im selben Augenblick neu erschaffen, so ca. alle zweieinhalb Minuten.

Gero ertappt mich beim andächtigen Lauschen. Um nicht ganz untätig zu sein, biete ich an, mich schon mal um das nächste Grillfeuerchen zu kümmern, was seitens des Gastgebers akzeptiert wird.

Eine Analyse der Asche zeigt mir, dass die weiter unten liegende Holzkohle im Grillbecken nur am Rand ein wenig angekokelt ist. Die bisherigen Feuer haben die tieferen Schichten nicht erfasst. Das wird sich ändern, beschließe ich, und tränke die Basis des neu zu errichtenden Scheiterhaufens reichlich mit flüssigem Anzünder. Weitere Holkohle oben drauf, sorgfältig nach oben stapeln, noch mal Anzünder nachkippen. So müsste es gehen. Feuer frei! Einsame Holzkohlestückchen, die sich in die Peripherie des Glutkegels verirrt haben, werden einzeln in bereits brennende Segmente eingefügt.

Im Obergeschoß ist der Quiz zu Ende. Die trotz des bundesweit geplanten Verbots deutlich sichtbar rauchenden Kopfe werden Sonne und Frischluft ausgesetzt, dann einschließlich der restlichen Körperteile ab Hals abwärts in zeremonieller Huldigung der Grill umstellt.

Es hagelt Ratschläge wie man ein gutes Grillfeuer entfacht und was unbedingt zu vermeiden ist. Zu letzterem gehört üppiges Anwenden von Zündhilfen. Tatsächlich riecht das Feuer intensiv nach Spiritus und hält sich nicht ans Rauchverbot. Durch kräftiges Schüren wird auch das behoben. Das Feuer ist bereit, die ACDler hungrig, die abendliche Grillsession kann losgehen.

Nachdem ich schon mit Speck umwickelte Bananenstücke auf dem Grill hatte, versuche ich's jetzt mal mit Tiefkühlfisch. Sieht zunächst gar nicht übel aus, nur klebt das Flossentier in garem Zustand an der Folie fest.

Auswahl, Konsistenz und Verarbeitung experimentellen Grillguts sind ein überaus faszinierendes Terrain, das bei künftigen ACD-Cons gepflegt und weiter erforscht werden will. Fürs Hellfeld der genießbaren Produkte bleibt es in diesem Jahr bei der gegrillten Speckbanane.

Zwischendurch hatte noch der erste Teil des Programmpunktes E-Soccer stattgefunden, den ich mit drei Niederlagen schnell abhaken konnte. Die wenigsten Tore kassierte ich dann, wenn ich den Joystick nicht bewegte. Aber so ganz untätig Rumsitzen ist auch nicht besonders lustig. Also gab ich Punkte ab und machte damit meine Gegner glücklich. Nach vielen weiteren Duellen outet sich Gero als Spielesüchtel und erringt aufgrund der Tatsache, dass er sich neben Familie, Häuserbau/-renovierung, dem CVJM, seinem Beruf und der Veranstaltung von ACD-Cons ausschließlich dem Spielen an Konsolen widmet, den Titel des E-Soccer-Champion. Alles nur eine Frage der Prioritäten!

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Für mich immer wieder höchst faszinierend: die Versteigerung am Samstagabend. Um meinen Lieblingsprogrammpunkt ein wenig in die Länge zu ziehen, hatte ich einige Wochen vorher meinen Keller gründlich aufgeräumt und alles bereitgestellt, was ACDler interessieren könnte. Die beiden einsfünfzig hohen Quadralboxen "Wotan" aus schwarzem Eichenholz, gefüllt mit jeweils 25 kg Quarzsand für den optimalen Klang, und zwei TFTs war ich allerdings schon vor dem Con schon losgeworden. Viel mehr hätte ins Auto eh' nicht reingepasst.

Achim wird seinem Namen und Ruf gerecht und hebt an zum Sturm auf die Portemonnaies der ACDler. Sukzessive reicht ihm Rüdiger die Stapel und Einzelteile an, so dass Achim sich ganz auf sein Amt konzentrieren kann. Ich freue mich, dass sich für die Kiste Readers Digest-Hardcover aus dem Nachlass meines Vaters ein Abnehmer findet. Viele andere Bücher hatte ich ob Zustand und Genre bereits entsorgt, doch die sehr gut erhaltene Sammlung war definitiv zu schade für die Deponie.

Ich selbst ließ mich wie immer vom Bauchgefühl leiten und bot, wenn der Nabel laut vernehmlich habenwill schrie, was insbesondere bei den allseits begehrten Promipaketen passierte. Auf diese Weise kam ich in den Genuss folgender Schätze:

  1. Flockys Paket: TB "Der 77. Grad" von Bill Napier, ein Ansteckbutton "JA zur Buchpreisbindung" (finde ich gut!), zwei Kinogutscheine (laufende Nummern 1748 und 1747) für "28 Weeks Later", Ausstellungsführer Deutsches Museum, ein Notizzettelhalter in Form und Aussehen eines transparenten Kubus, ein noch anzuspitzender NASA-Bleistift (weltraumtauglich?), drei kleine und ein etwas größeres kegelförmiges Behältnis mit Deckelchen (offenbar Laborbedarf, Antje ruft mir prompt die Fachbezeichnung zu, die ich schon wieder vergessen habe), eine RedNose und ein schwarzes T-Shirt "Van Helsing".
  2. Saschas Paket: eine CD "Living In A Box" von ... na? ... natürlich: Living In A Box, eine CD Heinz Rudolf Kunze, drei kleine Mojo-Buttons, eine CD "Diebels - Der Moment gehört Dir" (jetzt wissen wir, was Sascha trinkt), TB "Cyber Sl@ng - Die Sprache des Internet von A bis Z" von Jürgen Abel, TB "Blechkumpel" von Michael Frayn, TB "Begegnungen mit Außerirdischen" von Rischard L- Thompson, ein Shrek-Memo-Spiel und zwei Biene-Maja-Magnet-Puzzle (beides offenbar kiri-Werbezugaben; jetzt wissen wir was Sascha isst), eine Cassette "Under A Raging Moon" von Roger Daltrey (super!), eine Cassette mit den größten Erfolgen von Frank Duval (wie erinnern uns: "Todesengel" im Tatort), sechs orangene und zwei blaue Plastikstäbe zur Herstellung von Fruchtzwerge-Eisan einen Schnapp- und einen Karabinerhaken mit Lindt-Produkt-Glöckchen (jetzt wissen wir was Sascha nascht), eine rosa Zahnbürste, zwei Maddrax-Romanhefte (Titel "Ein neuer Anfang" und "Zu fernen Ufern") und eine MME-Ausgabe vom Mai 2007.
  3. Antjes Box (wars doch, oder?), bzw. in der Original ACD-Con-Tasche 2006, die ich mir die ganze Zeit bestellen wollte: Con-Tüte mit ACD-Propeller-Gimmick, ACD-Jahresconn 2006-Souvenir Book, ACD-Jahrescon 2006 Sticker, ACD-Jahrescon 2006 Extrasinn-Knobeleien, ein Blatt Perry-Rhodan-Sticker, ein Aufklärungsheft "Die Welt des ATLAN", PR-Roman "Das Wunder von Terra" (#2336 von Robert Feldhoff), ein Perry-Rhodan-Kugelschreiber, ein Perry-Rhodan-Feuerzeug, eine ACD-Zahnbürste und eine NANO-Box incl. Schulfilm-DVD und Schulversuchsanleitungen.

Ich bin Fandom-Krösus und glücklich obendrein.

Falls Hermann Ritter sich wundern sollte, warum ab sofort die Penispumpe aus Familienbesitz nicht mehr in den Versteigerungen auftaucht: Pezi hat sich selbst übertroffen und aus dem Teil ein Kunstwerk geschaffen, bei dessen Anblick Friedensreich Hundertwasser zu seinen Lebzeiten blass vor Neid geworden wäre. So wie jedes Mal, wenn Pezi-Objekte feilgeboten werden, scheute auch an diesem Samstagabend KDL keine Kosten um seine Sammlung zu vergrößern.

Norberts Grafik-Original, eine Hommage an das Nördlingenteam 2006, befand sich nur kurz in meinem Besitz. Solchermaßen gewidmet kann das Bild nur bei der Südfraktion verbleiben, weshalb ich es pflichtgemäß weiterreiche.

Sagte ich schon, dass das mein Lieblingsprogrammpunkt ist? Ok, dann kann ich's hier ja weglassen.

Nach der Versteigerung sprach Achim ein wahres Wort als er feststellte, dass bei der ACD-Versteigerung Bücher immer weit unter Wert weg gehen. Das könnte verschiedene Gründe haben. Die meisten ACDler dürften finanziell in der Lage sein, sich ihr Lesefutter bei Bedarf zu marktüblichen Preisen zu erwerben. Vor einigen Jahren, zu Schüler- und Studentenzeiten, war das noch anders. Möglicherweise sind die Geschmäcker und Neigungen auch schon derart individuell ausgeprägt, dass man sehr wählerisch geworden ist. Dabei bietet die Versteigerung doch die Chance, außerhalb gewohnter und eingefahrener Literaturgefilde zu stöbern.

KDL hilft mir leuchtkraftmäßig aus, meine neuerworbenen Kostbarkeiten über die dunklen Waldwege und Stolperfallen hinweg sicher im Auto zu verstauen.

Bald darauf tönen, wie schon die Nacht davor, die "Akka!"-Rufe aus der Tiefe irgendwo unter mir, wiegen mich in den erholsamen Schlaf. Ende eines aufregenden Tages.

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Sonntagmorgen.

Wieder beginnt der Tag sehr früh. Alte Gewohnheit. Der dampfende Becher zwischen meinen Händen beschert der Nase eine belebende olfaktorische Verwöhnorgie. Das Terrain ist noch leer. Oben auf dem Waldweg joggt ein alter Mann das dritte Mal vorbei. Er sieht nicht glücklich aus. Sport soll Spaß machen, sonst ist er nicht gesund.

Gero und JöDi erscheinen kurz nacheinander in kurzen Hemdchen. Das Wort Ästhetik kommt mir in den Sinn. Der eine will Kaffe, der andere lechzt nach einer Dusche.

Der Kontakter daddelt hinten links und außerhalb meines Sichthorizonts an irgendeinem Spiel, dessen akustische Emissionen in krassem Gegensatz zur Natur um uns herum stehen. Soll ich Rüdiger jetzt endlich drauf ansprechen, dass mir sein Atlan-Roman gefallen hat? Er und Achim Mehnert haben mit den ersten beiden Rudyn-Büchern der langen Kette von Atlans' Abenteuern zwei weitere Perlen hinzugefügt, farblich gut aufeinander abgestimmt. Der USO-Glanz ist noch lange nicht verblaßt.

Wen ich jetzt aufstehe und Rüdiger das sage, unterbreche ich ihn beim Spiel. Er wirkt auch nicht, als würde er jetzt Gesellschaft wünschen. Außerdem könnte er es als billigen Trost fürs verlorene Fußballspiel auslegen, was es wahrlich nicht ist.

Warum ist Kommunikation so schwierig?

Wie zur Bestätigung dieser Feststellung drucksen alle nach und nach wach gewordenen ACDler herum, kauen an Brötchenhälften und versuchen Witze zu reißen, die den Abschied übertünchen sollen. JöDi und Rüdiger brennen stapelweise Foto-CDs, von denen ich mir eine abgreife; wissend, dass auch Fotos die Atmosphäre eines ACD-Cons nur bedingt einfangen und konservieren können.

Das Urlaubsfeeling weicht einer Durchhalte- und Nimm Dich Zusammen-Haltung.

Ein paar Umarmungen, ein bisschen Händeschütteln, dann lade ich Stefan ein und wir fahren zurück gen Süden. Nach dem Auffahren auf die Autobahn schweigen wir lange, was überhaupt nicht unangenehm ist. Jeder hängt seinen Gedanken und den letzten Tagen nach.

Trotz Flockys Schlüsselbeinbruch war's gut endlich mal wieder beim ACD-Con zu sein. Es fühlt sich richtig an, auch wenn man Menschen und Freunden außerhalb des Fandoms das alles nicht so richtig vermitteln kann. Nur wer dabei ist kann's vielleicht verstehen.

Das Leben mit all seinen Gefahren und Herausforderungen ist großartig.

Der ACD macht's sogar noch ein Fitzelchen großartiger.

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Wiesbaden, Äppelallee 45 / 27.August, Montag.

Seit das Rauchen in allen Räumlichkeiten der Behörde untersagt wurde, treffen sich die Nikotinsüchtigen im überdachten Hof zwischen dem A- und dem B-Gebäude.

Am 27.08.2007 begegnen sich dort Jürgen P., Leiter der heute frisch aus der Taufe gehobenen Anti-'Ndrangheta-Truppe, und Gunter S, der das einzige weibliche Mitglied seines kleinen Afghanistan-Teams vorübergehend zur Unterstützung der Mafiajäger abgegeben hat.

"Ernie ist noch mit ihrem komischen Club unterwegs", informiert Gunter beiläufig. Die Worte und ihr Sinn kämpfen sich durch blaugraue Wölkchen an Jürgens Ohr.

"Hab' nie verstanden was die machen", antwortet Jürgen.

"Ich auch nicht", stimmt Gunter zu.

Diesen Konsens der Unwissenheit bestätigend, verbindet sich der Rauch ihrer beider Zigaretten in der milden Herbstluft zu ebenso flüchtigen wie undeutbaren Schlieren.

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