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ColoniaCon 2004 ... für An- und für Einfänger

von Ernestine Gohr

Zu gut sechzig Prozent bildete gewichtiges Papier, nämlich Intras und Extras aus den Restbeständen des ACD-Tischs beim FrankenCon, meine Fracht. Zu kostbar um sie der Post an zu vertrauen. Dazu braucht es schon eine mit atlantischen Clubvertrauen gerüstete Botin wie mich.
Samstagmorgen im altehrwürdigen Colonia angekommen, trotteten Köfferchen und ich zunächst absichtlich in die falsche Richtung, nach Süden. Seitens des Hotels hatte man versichert, meine Herberge für die Nacht läge "direkt gegenüber" des Deutzer Bahnhof, was sich alsbald als korrekt herausstellte, bei sehr großzügiger Auslegung des Wortes direkt. Und wo ein Hotel ist kann auch ein Laden mit Essbarem nicht weit sein, dachte ich. Immerhin war ich um kurz nach sechs in Wiesbaden gestartet. Der Magen der pflichtbewussten Kurierin hing irgendwo zwischen Knie und Ferse, anatomisch unmöglich, gleichwohl gefühlt. Richtig vermutet, eine Bäckerei, und da wieder eine und noch eine. Deutz roch plötzlich wie eine große Backstube und hieß mich, olfaktorisch umarmend, auf angenehme Weise willkommen.
An einer Stange Olivenbrot knabbernd schreitet man nicht zwangsläufig schneller, jedoch bedeutend genussvoller voran; entlang dem Rheinufer, an der Messe vorbei, das Kölnisch Wasser immer zur Linken. Wo der Weg eine Biege nach rechts macht liegt das Jugendzentrum, hatte ich mir aus dem Stadtplan eingeprägt. Und tatsächlich, weder der Survivalkompass noch Pfadfinderwissen waren notwendig um den Proletarierpalast - erkennbar an funktionellem Design & sichtbar leidgeprüftem Mobiliar - zu finden. Veranstalter Achim Mehnert stand mit zwei gleichsam bauchzentrierten Gestalten am Eingang und blickte mit einem "warummachichdasüberhaupt"-Ausdruck in meine Richtung. Ich winkte freundlich, doch offenbar war's für noch zu früh für die Erinnerung an hessisch-Nirwana und die Nürnberger Peripherie. Ich unbeirrt durch die Pforte, den von Kurt im Voraus bezahlten ACD-Promotisch erfragt und die Hefte ausgepackt. Gegenüber stellten Dirk van den Boom, die Leute von der PRFZ und Robert Vogel ihre angeschleppten Kisten ab. Thronsaal und Wasserspiele für beide Geschlechter in Sicht- und in Riechweite bedeutet: Ein jeder musste an den ACD-Produkten vorbei. Durch diese hohle Gasse müssen sie kommen, es führt kein andrer Weg zum Pissoir. Fehlte nur noch Rüdiger als Ersatz für Gesslers Hut.
Halali, der Kontakter traf mit professioneller Jagdausrüstung ein: Noch mehr Hefte, tolle Werbe-Plakate (das unwiderstehliche Babyface "We Want You!"), riesige Club-Logos, eine halbe Schachtel ClubCards, eine Packung Süßigkeiten, zwei Deutschlandfähnchen und ein schon etwas mitgenommenen wirkender DFB-Fan-Schal. Rituell wurden die ersten vier Euro aus Verkäufen sowie Norberts Geldtasche überreicht.
Dauerte nur Minuten, schon zog Honigtopf Rüdiger schwarmweise die fannischen Bienchen und Drohnen an. Zitat aus Rüdigers Nachricht im ACD-Forum: "... Pezi und Flocky, heiße Gefechte am Tischkicker mit Hermann Ritter, quatschen mit Ernie, Uschi, Bifi, Klaus-Dieter, Anno, Achim, Heinz, Armin, Uwe, Tommy, Christian, Peter, Hubert, Michael, und vielen anderen ...". Colin, Olaf und Werner F. darf ich noch hinzufügen. KDL und BiFi wurden mit familiärem Big Hugging empfangen, andere per kultiviertem Flossenkontakt oder einem freundlichem Nicken. Einige wollte von nicht mal das von mir. Anderer Con, andere Sitten.
Nur ganz kurz bekam ich noch Achim M.'s Begrüßung im Veranstaltungsraum mit, als er fragte, ob jemand dabei sei, der noch nie einen Colonia Con mitgemacht habe. Prompt hoben, gleich mir, etwa ein Drittel der Anwesenden die Hände, was ihn ziemlich überraschte und kurz aus der Fassung brachte. Nun war's für mich erst mal vorbei mit Programm, denn es wurde richtig voll beim ACD. Was für ein Gedränge! Die sicher interessanten Vorträge zu "NOVA" und "Bad Earth" fielen dem Versuch der Erstellung einer Kausalitätskette zum Opfer, wer wen in den ACD geschubst, gedrängt, gelockt oder getreten hat. Colin war's, glaube ich, den hat KNF vor vielen Jahren bei Achim Sturm "abgestellt", damit der sich um den jungen Mann "kümmern" sollte. So kann man's natürlich auch machen. Im Tierreich bezeichnet man diese Methode des arbeitsteiligen Einfangen und Zutreiben der Beute als geschickteste Hatz. Angeblich symptomatisch für höher entwickelte Säugetiere mit Jagdinstinkten.
Thomas Ziegler Der Vormittag war komplett und unwiederbringlich weg, vorbei, perdu. Für Thomas Ziegler riss ich mich mittags los, nicht zuletzt weil Klaus B. aktuelle Bilder angefordert hatte. Allzu viel erzählte er nicht, der Thomas Z., aber lang ist er, souverän, beim Stichwort Exposés nicht auf den Mund gefallen und viel zu mager. Die Leute rissen sich um signierte Heft- und Taschenbuchromane. Für jede Unterschrift ein Riegelchen Schokolade, vielleicht hätte er danach an der Theke sein Brot nicht in der flüssigen Variante schlürfen müssen, der Arme. Fans können so grausam sein.

"Rhen Dark", "Professor Zamorra" und Hubert Haensels Soloauftritt hätten mich schon interessiert, ehrlich, doch die versäumte ich, um mit Klaus-Dieter das Bier zu testen (als Kölsch identifiziert), bzw. um draußen vor dem Gebäude mit einem mir bis dahin unbekannten, jedoch gepflegt aussehenden jungen Mann zu plaudern, der mit speziellen Fragen und einer Empfehlung aus Rastatt kam. Beim Nennen einiger Namen von Umstehenden durfte ich gleich an Christian weiterreichen, der sich auf diese Weise schon mal im anstrengenden Dasein als begehrter Schriftsteller üben durfte.
Samstagabend, 18:00 Uhr, erklommen trotz gleichzeitig beginnendem Fußballspiel mit deutscher Beteiligung Uwe Anton, Rainer Castor und Hubert Haensel das Podium. Die Leute hatten bemerkenswert viele Fragen zu Obsidian, dem Perry-Comic, Lemuria, zum aktuellen Blauband und natürlich zur Erstauflage. Geschickt wichen die wissenden Heimlichtuer allzu neugierigem Bohren aus: "Das war eine Frage mit oder. Die wird grundsätzlich immer mit Ja beantwortet."
Gute Frage aus dem Publikum: "Wie haben die Autoren sich mit der Hyperimpedanz arrangiert?".
Antwort von Uwe Anton: "Jedes Mal auf'm Klo habe ich Angst, dass die Spülung versagt."
Ab- oder in Heft 2239 taucht Atlans Tochter auf, besagt mein Mitschrieb. Nähere Pläne um mögliche Liaisons mit Roi Danton oder Kantiran sind nicht erwähnt worden. Hatte ein bisschen was von Esthers Kristallblatt, diese Diskussion. Atlan und Perry als angeheiratete Verwandte gab es meines Wissens tatsächlich noch nicht. Uschi Zietsch kam etwas später dazu. Sie fand es schade, dass so wenige Leserbriefe zu Obsidian eintreffen. Andererseits gäbe es viele, teils ziemlich abstruse Spekulationen in den diversen Foren. Wer Uschi das Leben etwas leichter machen will, der möge ihr doch bitte schreiben, was er von Atlans neuestem Abenteuer hält, ja? Danke. In meinen Notizen sieht dieser Punkt übrigens so aus: "Foren - LBs".
Dem abendlichen "Traditionellen Grillen mit Wein, Weib und Gesang" blieb ich bewusst fern, da (erstens) das eine Bier mich ziemlich mitgenommen hatte, ich (zweitens) eher auf Männer als auf Frauen stehe und (drittens) meinen Gesang sowieso niemand zu schätzen weiß. Stattdessen machten Köfferchen und ich uns auf dem Weg zum Hotel, von dem wir beide Dank der morgendlichen Exkursion bereits wussten wo es ist. Für die Summe, die das Zimmer kostete, war's zu klein und der Blick aus dem Fenster reichte nur bis zur nächsten Wand - aber friedlich genug um beinahe sofort einzuschlafen. Nicht mal meine literarischen Schätze aus der abendlichen Versteigerung unter ungewohnt zurückhaltender Leitung von Hermann R. konnte ich mehr sichten. Morpheus meinte es gut. Immerhin sollte ein weiterer Con-Tag folgen.
Am nächsten Morgen brauchte ich nicht einsam zu frühstücken. Eine freundliche SFCDlerin aus Ludwigshafen klammerte sich schon seit Stunden an ihre Kaffeetasse, sehnsüchtig nach einem Menschen mit dem Stigma "SF-Fan" auf Stirn Ausschau haltend. Als wir noch ausgiebig klönten, uns zu Banken, Versicherungen, Eltern, Büchern, der Wirtschaftlage, Haustieren und mit der älteren Lady am Nachbartisch austauschten, erschien ein Wesen, das 1:1 wie Rainer Castor aussah, und das es verständlicherweise vorzog etwas abseits und unbehelligt wach zu werden. Wer weiß, wie lange der WeinWeibGesang-Abend ging. Schreiberlinge und Gäste waren tagsüber derart entspannt, kaum verwunderlich wenn sie wenigstens am Abend ein bisschen grilliger wurden.
Da noch ausreichend Zeit bis zur Fortsetzung des Programms war, brachte ich meinen Kumpel, das Köfferchen, schon mal zum Hauptbahnhof, in eine hypermoderne Gepäckaufbewahrung. Man schmeißt Geld ein, es öffnet sich eine Rolladenklappe, Reinstellen was man aufbewahrt haben will, Klappe zu. Sobald das Gepäck irgendwo unterirdisch und unsichtbar deponiert wird kriegt man ein Zettelchen mit codiertem Aufdruck aus dem Automaten. Ich nahm mir vor mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf zu meiner Zugverbindung zurückzukommen, nur für den Fall, dass diese neumodische Anlage Mist baut.
Ein klarer, sonniger Morgen. Genau richtig für eine Promenade am Rhein entlang zum JUZ. Mir war nach fröhlichem Pfeifen. Trotz Joggern und Randfahrern kein Grund sich zurück zu halten. Kennt mich ja niemand. Der Leitartikel der Kölner Zeitung berichtete am Montag ausführlich über verstörte Vogelpopulationen.
Während ich den ACD-Tisch erneut mit Zines vollstapelte und die schönsten Cover in die Kleiderhaken an der Wand klemmte, bauten gegenüber neue Nachbarn Lesefutter auf. Leute mit Sachen vom Atlantis-, Blitz- und GoVerlag und allesamt gefährlich fürs Portemonnaie. Eine Weile, mindestens aber zweieinhalb Minuten, widerstand ich heroisch. Dann, fand ich, hatte ich genug gelitten, dem Anstand genügt und gab der Versuchung nach.
Joe Kutzner vom TCE eröffnete das Sonntags-Programm mit der Vorstellung des Peter Terrid-Gedenkband "Mittendrin statt nur dabei". Aus seiner Aussage 'Wir wissen wenig über Peter Terrid als ATLAN-Autor' und einem von Klaus "Smiley" Schimanski gezeichneten Bildnis einer gefährlichen Schönen erwuchs eine Idee, die nächstes Jahr zum Tragen kommt. *pst* Es wird noch nichts verraten!
Peter Terrid war Karl May-Fan und hatte sich mit einem Exposé und Schreibwillen an den Karl May-Verlag gewandt. Leider ist nicht bekannt was daraus geworden ist. Nur eines von zahlreichen Puzzlestücken, die Kollegen von PT, Freunde und Fans dem Herausgeber-Trio Kutzner/Kobler/Schmid zur Verfügung stellten. So viel, dass nicht alles untergebracht werden konnte. Das meiste Material hatte Werner Fleischer gesammelt, konnte es aufgrund persönlicher Umstände allerdings nicht selbst nicht in Buchform gießen.
Da dieser Bericht eine Woche nach dem Con entsteht, hatte ich Gelegenheit selbst die Nase ins Werk zu stecken: Empfehlenswert! Ein wenig nachdenklich, facettenreiche Infos, viel Spaß und Lesenswertes, z.B. ein Fotocomic mit Rüdiger in gewohnter Quizmaster-Rolle.
Ich gönnte mir noch eine Runde dem kurzweiligen Plauderer Robert Vogel, der aus dem Stargate-Nähkästchen erzählte. In der 10. Folge der 8. Staffel macht er sogar persönlich mit, als Wissenschaftler-Statist. Etwas erstaunt hat mich seine Ankündigung, VPM ziehe für 2011 (50jähriges Serien-Jubiläum) einen Perry Rhodan-Themenpark im Stil des SpaceCenters in Bremen in Erwägung. Wie Robert in seiner charakteristisch fannisch-angefixten Art über Castorianische Vorlesungen zu Triebwerkstechnik, Trichterbauten und einer Spacebar sprach, klang das recht glaubhaft. Tatsächlich bin ich einem phantasievollen, nichtsdestotrotz abgefeimten Fake aufgesessen. Mir gefällt der Gedanke an ein solches Areal, mit Autoren-Seminaren und arkonidischem Pavillon, am Besten mit ACD-Präsenz. Warum eigentlich nicht? Es sind schon abstrusere Ideen Realität geworden. Vielleicht bleibt es doch keine Illusion. Nur ist die Zeit bis 2011 etwas knapp bemessen für ein solches Projekt.
Noch mehr Gespräche, noch mehr Leute ... schließlich war's dann Zeit zum Aufbrechen. Rüdiger packte alle Zines in die großzügige Kontaktertasche. Gerne nahmen wir Pezis motorisierte Beförderungsdienst in Anspruch. Wider Erwarten ließ sich mein Gepäck am Bahnhof auf Anhieb der futuristischen Aufbewahrungskiste entlocken und bestätigte mein Vertrauen in terranische Technik. Nicht mal die Spur von Hyperimpedanz..
Der Colonia Con 2004 hat Spaß gemacht, war aber auch irgendwie strange. Als ob die Leute, die sich Jahrzehnte dort treffen, Rituale absolvierten, dessen Spielregeln ich noch nicht alle kenne. Vielleicht ging's dem Neo-Drittel der Gäste ähnlich wie mir. Die Fokussierung vieler Besucher auf 100 Kilo schäfersche Präsenz ist ein bemerkenswertes Phänomen, das eine Horde Soziologen die nächsten Jahrzehnte beschäftigen könnte. Faszinierend das zu beobachten.
In meinen Aufzeichnungen steht noch, dass "Christian H. gut auf Köln und Kölner zu sprechen" ist, was sich, wie ich zuletzt im Forum las, leider schon wieder erledigt hat. Werner F. "alive", Kurt Kobler hat ein Gesicht und nicht nur eine eMail-Adresse. Habe sogar jemanden mit Namen "Dieter Schmidt" auf dem Namensschild kommen sehen, der leider drei Schritte vor dem ACD-Stand kehrt machte. Hey, das Beißen habe ich mir abgewöhnt, ehrlich!
Wusstet ihr, dass man vom Bahnsteig aus direkt auf den Kölner Dom gucken kann? Nachdem er so oft fotografiert worden ist, der olle Klinker, da macht es ihm sicher nichts aus, wenn ich auch noch mal draufhalte *knips*.

Nächster Halt: Hildesheim.

Kö Bahnhof

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